Eigenmietwert als steuerliche Gleichstellung

Der Eigenmietwert ist ein Begriff aus dem Schweizer Steuerrecht. Hier werden Miet- oder Pachtausgaben geschätzt, die anfallen würden, würde die Immobilie gemietet oder gepachtet. Wer in seinem eigenen Haus wohnt, muss den Eigen­mietwert als Einkommen versteuern, dies kann aber um Hypothekarzinsen und werterhaltende Ausgaben reduziert werden. 

Einkommen versteuern, das man gar nicht erzielt? Das hört sich auf den ersten Blick speziell an, soll aber für Gerechtigkeit sorgen. Mit dem Eigenmietwert besteuert das Steueramt in der Schweiz Eigentümer/-innen, die selbst in ihrer Liegenschaft woh­nen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie ständig in ihren eigenen vier Wänden leben. Aus diesem Grund wird der Eigenmietwert auch auf Zweitwohnungen und Ferienhäuser angewendet.

Die Idee dahinter ist die steuerliche Gleichbehandlung von Personen, die ein Haus mie­ten und jenen, welche eines besitzen. Vom Eigenmietwert können verschiedene Steuerab­züge geltend gemacht werden, wie zum Beispiel Hypothekarzinsen und werterhaltende Ausgaben. Daraus resultiert für die Eigentümerschaft ein steuerliches Scheineinkommen – zumindest wenn keine höheren Abzüge für werterhaltende Renovationsarbeiten vorliegen. Aufgrund der steuer­lichen Abzugsfähigkeit sämtlicher Schuldzinsen bietet eine höhere Verschuldung Vorteile. Eigenheimbesitzer/-innen, welche ihre Hypothekarschulden grösstenteils amortisiert ha­ben, werden dadurch indirekt bestraft.

Eigenmietwert als imaginärer Wert

Würde eine Person, die eine Immobilie besitzt, diese an Dritte vermieten statt selber bewohnen, würde ein tatsächlich erzieltes und so auch steuerbares Einkommen entstehen. Der Eigenmietwert richtet sich nach dem Betrag, der als Miete bezahlt werden müsste. Er ist ein fiktiver Wert und basiert auf einer möglichen Miete. In den meisten Kantonen wird der steuerbare Eigenmietwert für die selbstbewohnte Im­mobilie reduziert und für die Besteuerung tiefer angesetzt als die tatsächliche Marktmiete der Immobilie. So möchte man dem Verfassungsauftrag der Förderung von Wohneigentum gerecht werden.

Steuerbehörde bestimmt Eigenmietwert

Die Berechnung des Eigenmietwerts legt die zuständige Steuerbehörde fest. Die Schätzung beruht hauptsächlich auf Kriterien wie Wohnfläche, Lage sowie Baujahr und wird unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus bewertet. Bei der Berechnung weist sich dieser Grundsatz allerdings als schwierig aus, denn eigentlich nur durch den Vergleich mit ähnlichen Liegenschaften ist es möglich, einen Mietzins zu schätzen.

Gelingt die Abschaffung

Seit 2016 wird auf dem politischen Parkett intensiv unter dem Titel «Systemwechsel bei der Wohneigen­tumsbesteuerung» über die Abschaffung des Eigenmietwertes diskutiert. Die ständerätliche Kommission hat einen Gesetzesentwurf erarbeitet, welcher die Besteuerung von Wohneigentum am Haupt­wohnsitz abschaffen will – für Zweitliegenschaften wie Ferienwohnungen müsste der Eigenmietwert wei­terhin versteuert werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 25. August 2021 dazu Stellung genom­men und drei Änderungsanträge gestellt. Die Vorlage wurde vom Ständerat am 17. September 2021 mit 20 zu 17 Stimmen und zwei Enthaltun­gen verabschiedet, obwohl die meisten Kantonsregierungen den Systemwechsel ablehnen. Politisch ist die Diskussion über den Systemwechsel aber noch nicht zu Ende geführt.

Gewinner und Verlierer des Systemwechsels

Von einem Systemwechsel profitieren diejenigen Eigenheimbesitzer/-innen, welche ihre Hypotheken mehr oder weniger voll­ständig amortisiert haben und keine grossen Unterhaltsarbeiten ausführen. Zu den Verlierern gehören oft aktuelle Ersterwerber/-innen von Liegenschaften, welche eine hohe Verschuldung auf sich nehmen müssen. Auch Erwerber/-innen von Altliegenschaften werden benach-tei­ligt, denn werterhaltende Renovationsarbeiten sind steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Damit lassen sich die Einkommenssteuern beträchtlich senken und die Steuerprogression kann vor allem am Ende einer beruflichen Karriere etwas geglättet werden. Auch diese steuerplanerische Massnahme würde in Zukunft wegfallen. Es gilt also abzuwägen, welche Ziele mit welchen Massnahmen verfolgt werden müssen. Das heutige Regime des Eigenmietwertes bietet viel Rechtssicherheit und es stellt sich zurecht die Frage, wie viel Rechtsunsicherheit wir uns in den nächsten Jahren einhandeln wollen.