Immissionen aus der Nachbarschaft

Grillqualm, Hundegebell, laute Musik, Blätter im Garten – als Ursache für Konflikte unter Nachbarn können viele Facetten des Alltags dienen. Was gilt und wie kann man sich wehren?

Rechtliche Grundlagen

In der Schweiz gibt es viele Vorschriften zu diesem Thema. Im Mietrecht findet man diese etwa im Obligationenrecht und für Eigentümer beispielsweise in den Reglementen der Stockwerkeigentümerschaft oder im Zivilgesetzbuch. Dem Art. 684 ZGB ist zu entnehmen, dass jedermann verpflichtet ist, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten.

Die Frage nach der Übermässigkeit

Wie immer im Nachbarrecht ist auch bei Lärm die erste Frage: Ist die Belästigung übermässig? Die Antwort hängt auch davon ab, was am Ort üblich ist. Lärm von Tieren in der Stadt wird anders beurteilt als auf dem Land. Für viele Lärmquellen sind in den Gesetzen Grenzwerte definiert – zum Beispiel für Strassen- und Fluglärm oder für Lüftungs-, Heiz- und Kühlanlagen. Existiert für eine Lärmquelle kein Grenzwert, müssen Richter im Einzelfall beurteilen, ob die Immission übermässig ist.

Lärm ist nicht gleich Lärm

Wird darüber gestritten, wie viel Lärm zulässig ist und wie viel nicht, sind die Dezibelwerte das Mass aller Dinge. Doch das Lärmempfinden ist sehr subjektiv: Spielen Kinder lautstark im Garten, ist das für die Eltern kein Problem. Der Nachbar aber fühlt sich jedoch gestört.

Kindergeschrei gilt in jedem Wohnquartier als üblich und muss akzeptiert werden. Nicht dulden muss man aber Lärm, den Kinder an unüblichen Orten oder zu unüblichen Zeiten verursachen. Spielen Kinder in der Eingangshalle des Hauses lautstark Fussball, muss man das ebenso wenig tolerieren wie Kindergeschrei von der Strasse zu Ruhezeiten. In der Stadt Winterthur ist die Nachtruhe von 22.00 – 6.00 Uhr. Während der Sommerzeit gelten abweichende Bestimmungen. Während dieser Zeit ist jeglicher die Ruhe oder den Schlaf störender Lärm verboten.

Streitpunkt Grill

Andere Streitpunkte, etwa der «Duft» vom Grill, sind weniger klar geregelt. In solchen Fällen gehen die Gerichte vom «Durchschnittsmenschen» aus: Gefragt wird, ob sich eine Mehrheit in dieser Situation ebenfalls gestört fühlen würde. Ein solcher Konflikt lässt sich nur schwer auf dem Rechtsweg lösen und ist zudem meist auch nach der rechtlichen Klärung nicht ausgestanden.

Kampfzone Garten – wenn Nachbarn über Pflanzen streiten

Fallen grössere Mengen an Laub, Nadeln, kleinen Ästen, Tannenzapfen, Früchten, Samen sowie tropfendes Harz auf das Nachbargrundstück und verursachen dort mehr Arbeit, muss man das grundsätzlich dulden. Erst wenn ein solcher Anfall von Pflanzenbestandteilen das am Ort übliche Mass überschreitet oder wenn die Immissionen tatsächlich einen Schaden verursachen, kann der Nachbar verpflichtet werden, Abhilfe zu schaffen. Denn Nachbarn sind nur verpflichtet, übermässige Immissionen auf umliegende Grundstücke zu unterlassen. Alles nicht Übermässige ist gemäss Art. 684 ZGB zulässig. Nicht nur Pflanzenbestandteile, die im Übermass auf ein Grundstück fallen, können eine Immission sein – auch der Entzug von Sonne, Licht und Aussicht fällt darunter (negative Immission). Ragen Äste vom Nachbargarten auf ein Grundstück und weigert sich der Nachbar, seinen Baum zurückzuschneiden, besteht unter Umständen ein Kapprecht gem. Artikel 687 ZGB. Das heisst aber nicht, dass man einfach in Eigeninitiative die Äste an der Grenze absägen darf.

Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung, ob Pflanzen zu tolerieren sind, spielen die jeweiligen kantonalen Abstandsvorschriften. Reagiert werden aber muss rasch, bevor eine allfällige Verjährungsfrist abgelaufen ist. Im Kanton Zürich beträgt die Frist beispielsweise fünf Jahre seit der Bepflanzung. Die Abstandsvorschriften und die Regeln zur Verjährung sind in den meisten Kantonen im kantonalen Einführungsgesetz zum ZGB (EG ZGB) definiert.

Empfehlung

Gesetz hin oder her, die Faustregel für eine gute Nachbarschaft lautet: Vermeiden wir das, was uns beim Nachbarn auch stören würde. Und dulden wir einmal vorübergehende Immissionen, etwa bei einem Grillfest im Nachbarsgarten. Kommt es doch zum Konflikt, gilt: Je früher man das Gespräch sucht, desto ruhiger und offener wird man das Thema besprechen können. Zuwarten, bis der Kragen platzt, empfiehlt sich auch hier nicht – besser suchen wir zuerst den persönlichen Dialog.

Roman Steiger