Nachbarschaftsstreit

Grillqualm, Katzenkot im Rosenbeet, Hundegebell, laute Musik, Blätter im Garten – als Ursache für Streit unter Nachbarn kann fast jede Facette des Alltags dienen. Was gilt und wie kann man sich wehren?

Kläffende Hunde, kreischende Kinder

Wie immer im Nachbarrecht ist auch bei Lärm die erste Frage: Ist die Belästigung übermässig? Die Antwort hängt vor allem davon ab, was am Ort üblich ist. Tierlärm wird in der Stadt anders beurteilt als auf dem Land; in einem Wohnquartier sind fünf Hunde, die ständig bellen, zu viel.

Für viele Lärmquellen sind in den Gesetzen Grenzwerte definiert – zum Beispiel für Strassen- und Fluglärm oder für Lüftungs-, Heiz- und Kühlanlagen. Existiert für eine Lärmquelle kein Grenzwert, müssen Richter im Einzelfall beurteilen, ob die Immission übermässig ist. Im Fall von Kirchenglocken befand übrigens das Bundesgericht, dass der Durchschnittsbürger das Kirchengeläut tagsüber und am Abend nicht als übermässig störend empfinde, zumal damit eine langjährige Tradition verbunden sei. Deshalb könne das Geläut ausserhalb der Nachtruhezeiten zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens nicht verboten werden.

Lärm ist nicht gleich Lärm

Wird darüber gestritten, wie viel Lärm zulässig ist und wie viel nicht, sind die Dezibelwerte das Mass aller Dinge. Doch das Lärmempfinden ist sehr subjektiv: Spielen Kinder lautstark im Garten, ist das für die Eltern kein Problem. Der Nachbar aber fühlt sich gestört. Und der Rasenmäher von nebenan rattert, wenn man seinen Kaffee auf der Terrasse geniessen will, besonders laut.

Kindergeschrei gilt in jedem Wohnquartier als üblich und muss akzeptiert werden. Nicht dulden muss man aber Lärm, den Kinder an unüblichen Orten oder zu unüblichen Zeiten verursachen. Spielen Kinder in der Eingangshalle des Hauses lautstark Fussball, muss man das ebenso wenig tolerieren wie Kindergeschrei von der Strasse nach 22.00 Uhr.

Dasselbe gilt für Partylärm: Dauert die Party bis in die Ruhezeiten, stellt Lärm, der nach aussen dringt, eine übermässige Immission dar und ist unzulässig. Als Nachtruhezeit gelten in den meisten Kantonen die Stunden zwischen 22.00 und 7.00 Uhr morgens. Während dieser Zeit müssen die Nachbarn laute Gespräche, Gelächter und Musik im Freien oder bei offenen Fenstern nicht mehr akzeptieren.

Streitpunkt Grill

Andere Streitpunkte, etwa der «Duft» vom Grill, sind weniger klar geregelt. In solchen Fällen gehen die Gerichte vom «Durchschnittsmenschen» aus: Gefragt wird, ob sich eine Mehrheit in dieser Situation ebenfalls gestört fühlen würde. Ein solcher Konflikt lässt sich nur schwer auf dem Rechtsweg lösen und ist zudem meist auch nach der rechtlichen Klärung nicht ausgestanden – man lebt ja weiterhin Zaun an Zaun.

Kampfzone Garten – wenn Nachbarn über Pflanzen streiten

Fallen grössere Mengen an Laub, Nadeln, kleinen Ästen, Tannenzapfen, Früchten, Samen sowie tropfendes Harz auf das Nachbargrundstück und verursachen dort mehr Arbeit, muss man das grundsätzlich dulden. Erst wenn ein solcher Anfall von Pflanzenbestandteilen das am Ort übliche Mass überschreitet oder wenn die Immissionen tatsächlich einen Schaden verursachen, kann der Nachbar verpflichtet werden, Abhilfe zu schaffen. Denn Nachbarn sind nur verpflichtet, übermässige Immissionen auf umliegende Grundstücke zu unterlassen. Alles nicht Übermässige ist gemäss Art. 684 ZGB zulässig.

Nicht nur Pflanzenbestandteile, die im Übermass auf ein Grundstück fallen, können eine Immission sein – auch der Entzug von Sonne, Licht und Aussicht fällt darunter (negative Immission).

Ragen Äste vom Nachbargarten auf ein Grundstück und weigert sich der Nachbar, seinen Baum zurückzuschneiden, besteht unter Umständen ein Kapprecht. Das heisst aber nicht, dass man einfach die Äste an der Grenze absägen darf. Man muss sich an die Regeln halten.

Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung, ob Pflanzen zu tolerieren sind, spielen die kantonalen Abstandsvorschriften. Reagiert werden aber muss rasch, bevor eine allfällige Verjährungsfrist abgelaufen ist. Diese Frist ist je nach Kanton unterschiedlich; im Kanton Zürich sind es beispielsweise fünf Jahre, im Kanton Uri ein Jahr für Sträucher und fünf Jahre für Bäume, im Kanton Solothurn bleiben drei Jahre Zeit. Die Abstandsvorschriften und die Regeln zur Verjährung sind in den meisten Kantonen im kantonalen Einführungsgesetz zum ZGB (EG ZGB) definiert.

Tipp

Gesetz, Vorschriften hin oder her: Die Faustregel für eine gute Nachbarschaft lautet: Vermeiden wir das, was uns beim Nachbarn auch stören würde. Und lassen wir auch mal fünf gerade sein, vor allem bei vorübergehenden Immissionen, etwa bei einem Grillfest im Nachbarsgarten. Kommt es doch zum Konflikt, gilt: Je früher man das Gespräch sucht, desto ruhiger und offener wird man das Thema besprechen können. Zuwarten, bis der Kragen platzt, empfiehlt sich auch hier nicht.

 

Robert Steiger, Inhaber